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Zum Bewusstsein der (Teil-)Unentgeltlichkeit als Tatbestandsvoraussetzung des § 7 Abs. 8 ErbStG

Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass der Tatbestand der Werterhöhung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 7 Abs. 8 ErbStG) ein subjektives Merkmal im Sinne eines Bewusstseins der (Teil-)Unentgeltlichkeit erfordert.

Der Kläger war neben seinem Vater und seinem Bruder Gesellschafter einer GmbH. Es war ursprünglich durch Erbvertrag vereinbart worden, dass die Söhne jeweils die hälftige Beteiligung des Vaters an der GmbH erhalten sollten. Am 15. Januar 2013 annullierte der Vater den Erbvertrag mit dem Bruder des Klägers, der sich bereit erklärte, dass die ursprünglich ihm zugedachten Anteile an der GmbH auf den Kläger übertragen werden. Am selben Tag verpflichtete sich der Bruder des Klägers zur Veräußerung seiner Beteiligung an der GmbH mit Wirkung zum 1. November 2017 an die GmbH oder einen von dieser zu benennenden Dritten. Als Kaufpreis wurde eine Zahlung von 2.100.000 Euro unter Anrechnung etwaiger nach dem Zeitpunkt der Beurkundung erfolgenden Gewinnausschüttungen vereinbart.

Der Vater des Klägers verstarb im Jahr 2013. Im Jahr 2017 übte der Kläger als Geschäftsführer der GmbH das Benennungsrecht dahingehend aus, dass die GmbH die Beteiligung des Bruders des Klägers selbst erwerben sollte. Die notarielle Umsetzung der Anteilsübertragung erfolgte im Jahr 2018.

Das Finanzamt setzte für die Anteilsübertragung gegenüber dem Kläger Schenkungsteuer fest, wobei es als Stichtag auf den 1. November 2017 abstellte. Da der Ertragswert des Anteils an der GmbH am benannten Stichtag nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren 9.688.883 € betragen habe, handele es sich um eine gemischte Schenkung. Hiergegen wandte der Kläger ein, dass er mit seinem Bruder zerstritten gewesen sei und zwischen zerstrittenen Geschwistern kein Schenkungswille vorliege. Ein subjektiver Bereicherungswille des Schenkers sei aber notwendig.

Der 3. Senat des Finanzgerichts Münster hat der Klage stattgegeben und den Schenkungsteuerbescheid aufgehoben.

Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gilt auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt, als Schenkung. Dabei entsteht die Steuer mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Vorliegend sei der Bescheid bereits deshalb rechtswidrig, da die Besteuerung auf den Stichtag 1. November 2017 vorgenommen worden sei, während die zivilrechtliche Anteilsübertragung erst im Jahr 2018 durch die Abtretung in notarieller Form erfolgt sei.

Darüber hinaus sei auch der Tatbestand des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG nicht erfüllt. Die Gesetzesauslegung ergebe, dass ein subjektives Merkmal im Sinne eines Bewusstseins der Unentgeltlichkeit der Leistung erforderlich sei. Hierfür spreche neben dem Wortlaut der Begriffe »Zuwendender« und »Bedachte« auch die Gesetzessystematik sowie der Sinn und Zweck der Norm. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG fingiere ausschließlich die unmittelbare Leistung an den Bedachten, indem die Norm auch mittelbare Begünstigungen als unmittelbare Leistungen erfasse. Damit trete jedoch keine vollständige Fiktion aller Tatbestandsmerkmale des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ein – auf Seiten des Zuwendenden müsse noch immer eine »Leistung« in dem Bewusstsein erbracht werden, den Wert des Geschäftsanteils des mittelbar Begünstigten ohne Erhalt eines äquivalenten Ausgleichs zu erhöhen. Ein extensiveres Verständnis der Fiktion würde dazu führen, dass der Tatbestand auf nahezu jede Transaktion, der objektiv ein zugunsten einer Kapitalgesellschaft wertmäßig unausgewogenes Geschäft zugrunde liege, ausgeweitet würde.

Folglich erfordere § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG einen »Willen zur Unentgeltlichkeit«, also ein Handeln des Zuwendenden in dem Bewusstsein, zur Vermögenshingabe weder rechtlich verpflichtet zu sein noch dafür eine gleichwertige Gegenleistung zu erhalten. Da allein der Vertrag vom 15. Januar 2013 für die Willens- und Bewusstseinsbildung der beteiligten Vertragsparteien maßgeblich gewesen sei, sei für die Frage des subjektiven Elements auf diesen Zeitpunkt abzustellen. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und unter Berücksichtigung der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Bruders des Klägers war der Senat davon überzeugt, dass dieser ohne Bewusstsein zur Teilentgeltlichkeit der Anteilsübertragung handelte. So habe der Kläger nachvollziehbar dargelegt, dass es zwischen den Brüdern ab 2009 immer häufiger zu Differenzen gekommen und die Anteile nicht aus familiären Beweggründen unterhalb eines möglichen Veräußerungsgewinns übertragen worden seien. Für eine Wertfindung unter fremden Dritten habe auch die Einbeziehung von Rechts- und Steuerberatern bei Abschluss der getroffenen Vereinbarungen gesprochen. Ein subjektives Element könne auch nicht alleine aus der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Wert nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren abgeleitet werden.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Diese ist eingelegt worden. Ein endgültiges Az. wurde noch nicht vergeben.

FG Münster, Mitteilung vom 15.08.2024 zum Urteil 3 K 2585/21 vom 23.05.2024 (nrkr)


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